Wie gerecht verteilt die Stadt unser Geld?

Nach 100 Jahren sozialdemokratischer Stadtregierung in Wien gilt noch immer das alte Prinzip ungerecht organisierter Gesellschaften Wer hat, dem wird gegeben. Und zwar nicht nur auf der individuellen Ebene – die ungerechte Chancenverteilung ist auch in die Verwaltungsstruktur der Stadt eingeschrieben.


Der Graben liegt am Gürtel
Laut der Studie Sozialraum MonitoringLINK verläuft die Bruchlinie zwischen denen, die haben und denen, die nicht haben, noch immer ziemlich genau dort, wo sie quasi immer schon verlaufen sind: Am Gürtel, der Grenze zwischen proletarisch und bürgerlich geprägten Gebieten. Menschen mit hoher Schulbildung und hohen Einkommen wohnen innerhalb (und im mit Eigentumshäusern gespickten westlichen Stadtrand). Jene, bei denen nur die Arbeitslosigkeit hoch ist, leben in Teilen der gründerzeitlichen Stadt jenseits des Gürtels und in den Gemeindebauten.

Die Stadtstruktur benachteiligt die Ärmeren
Die AK-Studie zeigt, dass dieser Graben tiefer wird. Die „statushöheren“ und die „statusniedrigen“ Gebiete haben sich in den Zehnerjahren nämlich auseinanderentwickelt. Und die Bezirkseinteilung reproduziert diese Bruchlinien nicht nur, sie verstärkt sie noch. Weil der Schlüssel, nach dem die Ressourcen auf Bezirke verteilt werden, die dichter bevölkerten – und damit zumeist die ärmeren – Bezirke benachteiligt.

Weniger Repräsentation
Wohlhabende Menschen haben mehr Bezirksrät*innen pro Kopf als ärmere: In der Josefstadt kommt eine Bezirksrätin oder ein Bezirksrat auf 600 Einwohner*innen, in Meidling 1600, in Favoriten 3000.

Weniger Bildung
Kultur- und Bildungseinrichtungen werden spärlicher, je näher man dem Stadtrand kommt. (In der Donaustadt werden gerade zwei kleine Büchereistandorte geschlossen. Dafür wird eine tolle, neue, große Filiale in der Seestadt eröffnet. Das zeigt, dass mitunter auch innerhalb von Bezirken Infrastruktur dorthin wandert, wo die Bewohner*innen sowieso schon mehr soziales, kulturelles und finanzielles Kapital haben).

Weniger Geld
Ein Bezirk bekommt umso weniger Budget, je weniger Geld seine Bevölkerung hat. Alle fünf Bezirke mit dem niedrigsten Pro-Kopf-Budget sind unter den sechs mit den niedrigsten Pro-Kopf-Einkommen von Wien: Meidling, Favoriten, Ottakring, Margareten, Rudolfsheim/Fünfhaus.

Grafik: AK Wien

Unsinnige Budgetstruktur
Die Stadtverfassung lässt den Bezirken sehr wenig Platz für Gestaltungsmöglichkeiten. Die Hälfte der Budgets geht für Schulerhaltung und Straßenbau drauf. In diesen Bereichen tendiert der Spielraum für die Bezirkspolitik gegen null. Sinnvoller wäre es, den Bezirken Geld für Bereiche in die Hand zu geben, wo Probleme teilweise besser lokal bearbeitet werden können als von der Stadtebene aus: Im Sozialbereich. Dort haben die Bezirke derzeit jenseits von Pensionistinnenklubs und außerschulischer Betreuung für Jugendliche wenig zu bestellen.
Mit höheren Sozialbudgets, die nach dem tatsächlichen Bedarf auf die Bezirke verteilt werden, könnten die Mittel zielgenauer, sozialer und sozial gerechter (um)verteilt werden.

Reformresistenz
Die AK hat auf Basis einer im Jahr 2016 in Auftrag gegebenen Studie ein 10-Punkte-Programm für eine bessere Verwaltung entwickelt. Darin finden sich Vorschläge für eine gerechtere Verteilung der Mittel, sowie für eine Professionalisierung und Demokratisierung der Bezirkspolitik. Es gab zwar Diskussionen darüber, aber die Folgen sind bis jetzt ziemlich überschaubar geblieben. Das Problem: Bei der Umsetzung der Vorschläge gäbe es nicht mehr Kuchen zu verteilen, sondern alle größeren Parteien müssten auf ein paar Brösel verzichten. Aber wenn man selbst darauf verzichten soll, kann ein offensichtlich überflüssiges Amt wie die 2. Bezirksvorsteher*instellvertretung sehr schnell zum eminent wichtigen Minderheitenrecht mutieren…

In dieser Haltung sind sich alle Parteien gleich. Deshalb braucht es Druck von außen und eine öffentliche Debatte über Gerechtigkeit, der keine Partei, die sich diese Gerechtigkeit auf ihre Fahne geschrieben hat, ausweichen kann.